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Wer ist “DOTTI” auf dem Werbeposter des Simson-Automobilbaus von 1924 ?
1924 startete der Simson-Automobilbau eine große Werbekampagne. Sie sollte der Ein- führung der neuen Modellreihe dienen, wo man mit der Zusatzbezeichnung “SUPRA” das Markenbild der Suhler Automobile deutlich aufwerten wollte. Die Fahrzeugtypen “SIMSON- SUPRA So” und “SIMSON-SUPRA S” aus der Konstruktion des bekannten Ingieneur Paul Henze verliesen erstmalig 1924 die Werkhallen in Heinrichs. Letzterer Typ war ein schnittiges, leistungsstarkes Sportwagenmodell, dass eine besondere Käuferschicht an- sprechen sollte. Plakate, Prospekte und Postkarten wurden entworfen, begutachtet und schließlich gedruckt. Die Simsons ließen sich diese Werbung etwas kosten, darunter ein grafisch gestaltetes Plakat mit dem rassigen Suhler Zweisitzer, Frauen im Look der “Goldenen Zwanziger” und Villenansichten, wie wir sie von dem am Domberg liegenden Wohnsitz der Familie Simson kennen.
Dotti gestaltete dieses Motiv von einem Simson-Supra
Dieses sehr schöne Plakat - übrigens auch als Souvenirpostkarte nachgedruckt und im Fahrzeug- museum Suhl erhältlich - hat rechts unten ein schlichtes Signet. Der Grafiker unterzeichnete mit seinen Namen “Dotti”. Wer war dieser Künstler, der den Anspruch eines Werbeplakates für den Simson Automobilbau erfüllte? Dazu muss man in das “Handels- und Vermittlungsbüro der Simson- Werke” nach Berlin (seit 1899 in der Mohrenstraße Nr.6 und ab 1925 “Unter den Linden” Nr 75) gehen. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1924 hatte Max Simson, der Leiter der Berliner Außenstelle, einen Auftrag für die Werbegestaltung an den damals bekannten Grafiker und Gestalter Albert Dotti ausgelöst. Dotti kam aus einer Industrieellendynastie mit einem großen Stammbaum, der letztendlich seine Wurzeln in Italien hatte. Mütterlicherseits floss Blut der Familie “Le Coq” aus der Campagne in seinen Adern. Die Vorfahren verdienten ua. im Zeitraum des “Deutsch-Französischen Krieges” 1870/71 mit einer Gerberei und der Herstellung von Lackleder für Uniformen viel Geld.
Sie konnten sich Grund- und Imobilienbesitz leisten und waren nach der preusischen Gebiets- reform 1872 in Neuenhagen (Berlin) als Verwaltungs- sowie Polizeichef bzw. Amtmann ein- gesetzt. In Chronikdaten aus Berliner Archiven wird dies besonders auf George, Leopold Dotti bezogen, der bereits einen Motorwagen mit Chauffeur nutzte. Er war finanzkräftig genug, Fahrten über die Alpen nach Italien, München und an die Nordsee um 1906 zu unter- nehmen. Tagebuchaufzeichnungen von ihm schildern die Beschwerlichkeiten auf solchen Reisen. Nur drei Jahre jünger war sein Cousin Albert Dotti, dessen Vater Johann, Baptist Dotti in zweiter Ehe in Lissabon lebte. Hier wurde auch Sohn Albert - der spätere Auftragnehmer für das Simson Werbeplakat- am 16.3.1856 geboren. Mit 25 Jahren heiratete er seine erste Frau 1881 in Berlin. Aus dieser Ehe entsprangen 5 Kinder. Seine zweite Ehefrau, die 1907 in sein Leben trat, schenkte ihm nochmals 4 Kinder, darunter Sibylle Dotti, eine studierte Kunsterzieherin, die als Stiftungsgründerin in der Stadt Lage 1988 mit ihren eigenen Arbeiten - es waren 39 Werke- und einem hohen Bargeldbetrag den Grundstock für das heute be-kannte Stiftungswerk legte, welches nunmehr 186 Werke von 71 Künst-lern verwaltet. Sie verstarb Neunzigjährig am 17.12.2003 in der Stadt Lage.
Betrachtet man die Verbindungen und Beziehungen der Simsons in der Berliner Szene, so wird erkennbar, dass zur Anbahnung von Geschäften, zur Vergabe von Aufträgen und zur Repräsentation regelmäßig Events organisiert wurden, wo Botschafter, Industrielle, Kauf- leute, Künstler, Architekten, Ärzte, Millitärs ua. teilnahmen. In einem solchen Rahmen ist sicherlich dem fachlich erfahrenen Albert Dotti die grafische Gestaltung für die neue Automobilwebung zu den Suhler SIMSON-SUPRA-Modellen angetragen worden. Der Plakatentwurf war nicht sein einziger Suhler Auftrag. Uns sind heute (Stand 2013) drei verschiedene grafische Darstellungen von Dotti zu  Suhler Autos bekannt. Seine Entwürfe sind charakteristisch für die Zeit der 1920er Jahre. Überlange, fast perspektivisch entfremdete Motorhauben, wo die Kühlerfront dominiert, große Lenkräder, auffällige Reifen und Radnarben sowie die charakteristische Gestaltung mit modischen Frauenbildern wecken Aufmerksamkeit für die Werbeabsicht. Für Oldtimerliebhaber und Grafiksammler stellen heute die Suhler Werbeplakate aus dem Jahr 1924 ein begehrtes Sammelobjekt dar, von denen es nur noch eine Handvoll Originale gibt. Auch das Verkersmuseum Dresden nutzt diesen Plakatentwurf für seine Prospekausgabe, obwohl nur ein “SIMSON- SUPRA” im Bestand ist.
Albert Dotti auf der Terrasse seiner Villa in Berlin
Albert Dotti wohnte in der Villenkolonie Grunewald in der Winkelstrasse 18. Das Haus wurde von dem be- kannten Berliner Architekten Alfred Messel gebaut, dessen Entwürfe im Architektenmuseum der Technischen Universität Berlin aufbewart werden. Bei einem Luftan- griff im Januar 1945 kam Albert Dotti im Alter von 89 Jahren ums Leben. Er trug mit seinem Plakatentwurf nicht unbedeutend zu dem guten Ruf der Suhler Auto- mobilqualität und damit zur Geschichte des Simson Autobaus bei. Mit Beginn der 6-Zylindr-Produktion übergaben die Simsons einem Geraer Reklameteam die Gestaltung. Das ist aber ein neues Kapitel in den Werbemaßnahmen für Suhler Automobile.
www.simson-automobile.de